Prof. Ulrich Horstmann
… Erst die Verheerungen und die Verwüstungspotentiale der Gegenwart haben Phantasmagorien von jener visionären Strenge und Unsentimentalität freizusetzen vermocht, die die Bilder Anna Reckers auszeichnen. Die Interpreten behelfen sich angesichts des nie Gesehenen und doch bald befremdlich Vertrauten mit Vergleichen und Assoziationen. Von einer Architektur “entre la ligne Maginot et les temples aztèques” (Jean-Jacques Leveque) ist da die Rede, von den Bunkern des Atlantikwalls, von Stonehenge oder japanischen Steingärten. Falsch sind solche Bezüge nicht, nur vektoriell einseitig. Sie alle verknüpfen Anna Reckers “Stein-Symphonien” (Wolfgang Schwarz) nämlich ausschließlich mit der Vergangenheit und dem Gewesenen. Es bestehen aber andererseits mindestens ebenso enge Bindungen an das, was uns bevorsteht. Anna Reckers Stein-Zeit erscheint folglich als supralinear. Ur- und Nachgeschichte blendet sie ineinander zu einem keineswegs verschwommenen, sondern klar konturierten Bild von mythischer Prägnanz. Wo wir herkommen, da werden wir wieder sein; wo wir hinstreben mit höchstem zivilisatorischen Kraftaufwand, da haben sich schon unsere Vorfahren verausgabt; unser Schicksal ist derselbe monumentale Ruin, den die Archäologie routinemäßig als Signum untergegangener Hochkulturen frei-schaufelt. Was bleibt, fiel niemals vom Fleische, es ist immer von Stein. …