Bei der Besichtigung der Cité Judiciaire kam mir spontan die Idee mit Glas zu arbeiten. Glas in seiner schimmernden Transparenz bildet für mich den idealen Kontrast zur Architektur von Rob Krier. Glas bedeutet Durchsichtigkeit, Licht, Leichtigkeit, Klarheit, Aufklärung usw. Das Schwebende, Durchscheinende des fragilen Glases steht im Spannungsverhältnis zu den stabilen Mauern und der monumentalen Schwere der Gebäude.
Bei den beiden Wandentwürfen stehen sich Wolken/Himmel und Wasser/Meer gegenüber, wie ein Oben und Unten. Dieses Oben und Unten berührt Themen wie Macht und Ohnmacht, Kraft und Schwäche, Dominanz und Unterwerfung usw. Sie sind nicht getrennt voneinander zu sehen, sondern stehen in einem polaren Ergänzungsverhältnis.
Wasser symbolisiert geheimnisvolle Tiefen, das Unbewusste – aber auch Erfrischung, ständige Erneuerung, Reinigung sowie Imagination, Meditation, Wandlung und frei fließende Gedanken. Wasser stellt das weibliche Prinzip in der Zeit und der Vergänglichkeit dar. Der Zusammenfluss aller Flüsse ins Meer gilt als Symbol der Vereinigung von Individualität und Absolutem. Der Himmel, dem das männliche Prinzip zugeordnet ist, spiegelt sich im Wasser und versinnbildlicht Ordnung, Bewusstsein, Objektivität, Vernunft und Weitblick, sowie Weisheit, Selbsterkenntnis und die Struktur des Gesetzes. Der Kreis als krönende Form ist ein Symbol des Himmels.
Auf der „Himmelswand“ ist ein Kreis über den Wolken dargestellt, allerdings ein verschlungener, der ehe an eine Spirale oder an ein Labyrinth erinnert. Der Kreis teilt jede Fläche, auf der er sich befindet, in zwei Gebiete, in einen Innen- und Außenbereich. Wird er aber spiralförmig und verschlungen gelegt, ist die Innen- und Außenseite nicht sofort erkennbar. Um beide Teile zu vereinen, muss deren Grenze überwunden werden. Wie der Mensch in Gedanken versunken sein Problem umkreist, muss auch hier bei dieser Darstellung der Betrachter seinen Blick kreisen lassen.
Der andere Entwurf zeigt ein echtes Labyrinth, eine perspektivische Konstruktion in Hexagonform, die im Wasser schwebt. Labyrinthe drücken das Bedürfnis aus, trotz Hindernissen den richtigen Weg zu finden und sind Sinnbilder des menschlichen Lebens mit all seinen Prüfungen, Schwierigkeiten und Umwegen. Der Weg zum Ziel ist ein langer Prozess. Der Labyrinthpfad ist klar und vorgegeben. Er mündet immer nach vielen Umwegen in der Mitte, in der die Wahrheit liegt. Nur der findet den Ausgang, der zur totalen Umkehr bereit ist.
Anna Recker